in der Architektur und der Planung städtischer und ländlicher Gebiete
Die Zeit läuft ab
Allseits schlägt es Alarm. Berichte des IPCC bestätigen die menschliche Verantwortung für den Weltklimawandel. 15.000 Wissenschaftler warnen: „Bald wird es zu spät sein, um von unserer angeschlagenen Flugbahn abzuwenden, und die Zeit läuft ab“. Die UNO beklagt, dass die Treibhausgasemissionen bei 52 Gt jährlich stagnieren, während sie auf 36 Gt oder sogar 24 Gt begrenzt werden sollten, um unter der 2°C-Marke zu bleiben, die eine friedsame Zukunft ermöglichen würde. Die 23. Klimakonferenz der Vereinten Nationen zeugt ihrer Machtlosigkeit: Die Ziele des Übereinkommens von Paris 2016 führen zu einem Anstieg über 3,5°C. Aber bleiben wir optimistisch: Noch ist Zeit.
Die Bedrohungen häufen sich
Auch nebst dem Klimawandel durch Treibhausgasemissionen häufen sich Gefahren: Der Rückgang der Artenvielfalt beschleunigt sich; allmählich verknappen Ressourcen; Luft, Land und See werden zunehmend verschmutzt; Ungleichheiten wachsen aufgrund der Verteilung des Wohlstands und der Auswirkungen globaler Veränderungen… Sich ausschließlich mit dem Energiehaushalt zu beschaffen wird nicht ausreichen.
Worte und Taten
Sind die jeweiligen politischen Entscheidungen der Herausforderung gewachsen? Aufeinanderfolgende Regierungen kündigen Initiativen an, welche sie am Ende doch wieder aufschieben. So wurde z.B. in Frankreich das Ziel, den Atomstrom im Strommix auf 50% zu reduzieren, auf die lange Bank geschoben, was den Aufschwung der erneuerbaren Energiequellen für viele Jahre kappt. Seit der Finanzkrise 2008 ist die Umwelt zu schonen nicht mehr das unabdingbare Ziel, das es zu Beginn dieses Jahrhunderts war. Wiederkehrende Abschläge in den Verpflichtungen, Ankündigungen von Maßnahmen mit offenkundig unzureichenden Mittel, wie z.B. für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden, und die Vernichtung der Förderung des sozialen Wohnbaus zeugen davon und geben Anlass zur Sorge.
Eine obsolete Entwicklungsweise
Warum weigern wir uns, der Zukunft ins Auge zu sehen? Sind wir für immer einer blinden Entwicklungsweise untertan? Wieso fördern wir weiterhin das Wachstum der Güterproduktionen, ohne die Ressourcenerschöpfung und die Zerstörung des Planeten wahrzunehmen? Weshalb unterstützen wir die Finanzwelt, ohne die Zunahme der Ungleichheiten und unserer Verschuldung der Natur gegenüber zu sehen? Wie können wir den egoistischen Wettbewerb bevorzugen, ohne zu sehen, dass unsere Solidarität sich erschöpft und unsere Großzügigkeit unterdrückt wird? Diese Entwicklungsweise einer anderen Zeit lähmt den ökologischen und gesellschaftlichen Wandel.
Eine gute Nachricht
Aber die Welt verändert sich und eine Saat des Möglichen wächst überall auf der Erde. Eine Landwirtschaft, die sich um Mensch und Natur kümmert, tritt aus der Marginalität aus und das Prinzip der kurzen Wege setzt sich durch. Ein genossenschaftlicher, sozialer und solidarischer Wirtschaftssektor siedelt sich außerhalb des gewöhnlichen Marktes an. In unseren Köpfen ersetzt das gemeinschaftliche das private Besitztum und die Mäßigkeit entbehrt uns des Verschwendungswahns. Eine neue Welt ist im Entstehen.
Die schwere Verantwortung der Erbauer
Fachleute der Bauwirtschaft und Raumplanung können sich ihrer eigenen Verantwortung nicht entziehen. Allein der Bausektor emittiert über 40 % der globalen Treibhausgase; zählt man durch städtebauliche Entscheidungen entstandene Handlungsweisen dazu, wie z. B. systematisch neu zu bauen, anstatt zu sanieren, vervielfachen sich die Emissionen. Entscheidungen, die alle zehn Jahre rund 6.000 km2 Landfläche verschlingen. Unser kollektives und individuelles Engagement ist unerlässlich.
Frugalität mit der Energie
Auch die Bauwelt verändert sich. Auf landesweiter Ebene vervielfältigen sich Projekte zur Erzeugung von erneuerbarer, lokaler und genossenschaftlicher Energie. Auf Gebäudeebene weiß man, gesunde und lebenswerte Gebäude ohne mechanische Belüftung, Klimatisierung oder gar Heizung zu errichten. Dank natürlicher Belüftung, einer passiven Kühlung, dem Einfangen der freien Sonnenenergie und Materialien mit hoher thermischer Trägheit ermöglicht eine bioklimatische Gestaltung sowohl den Energieverbrauch auf das Wenigste zu reduzieren, als auch den Komfort zu steigern. Wir wissen, wie dies zu erzielen ist, und dementsprechende Mehrkosten sind Geschichte. Weshalb zögern wir noch, solche Handlungsweisen allgemein einzuführen?
Frugalität mit der Materie
Wir wissen ebenfalls, wie auf ressourcenintensive Materialien zu verzichten ist. Der Holzbau, lange auf Einfamilienhäuser beschränkt, setzt sich mittlerweile auch bei großen öffentlichen Einrichtungen und Wohnhochhäusern durch. Biobasierte Dämmstoffe, bis vor kurzem noch randständig, machen heute fast 10 % des Marktes aus und verbreitern sich jedes Jahr um weitere 10 %. Lehm, Baumaterial unseres Kulturerbes, erwacht aus dem Fegefeuer, in welches das 20. Jahrhundert es gestürzt hatte. All diese Fortschritte tragen auf landesweiter Ebene der Bildung lokaler Produktionsketten und Know-hows bei.
Frugalität mit der Technik
Sparsamkeit bei Energie, Rohstoffen, Instandhaltung und Wartung geht mit technologisch einfachen Lösungen einher. Dies bedeutet nicht, auf Technologie pauschal zu verzichten, sondern nur jene zu verwenden, die unabdingbar, angepasst und umweltfreundlich ist. So müssen z.B. Gerätschaften leicht zu reparieren, zu recyceln und wiederverwendbar sein. Frugalität in Gestaltung und Produktion verlangt Innovation, Erfindungskraft und kollektive Intelligenz. Frugalität heißt, des hegemonischen technischen Verständnisses der Gebäude abzukehren und die Beteiligung der Bewohner zu favorisieren. Nicht das Gebäude ist intelligent, sondern dessen Bewohner.
Frugalität mit dem Boden
Egal, ob in städtischer oder ländlicher Kulisse, ein frugales Bauwerk sorgt sich um seine Umwelt. Es bekennt sich zu dessen Kultur- und Ortscharakter und nährt sich deren Geistes. Es geht sorgsam mit dem Boden und den lokalen Ressourcen um; es respektiert Luft, Boden und Wasser, die Artenvielfalt, usw. Es ist großzügig gegenüber seinem Umland und aufmerksam gegenüber dessen Bewohnern. Sowohl im Bauprogramm, als auch in seinen konstruktiven Lösungen, begünstigt es all jenes, welches seinen ökologischen Fußabdruck verringert, und all das, was das Leben gerecht und gemütlich macht.
Für die Frugalität
Der ökologische Umschwung und der Kampf gegen den Klimawandel tragen zum besonnenen Umgang mit erschöpflichen Ressourcen und zur Erhaltung der biologischen und kulturellen Vielfalt bei. Die Aufrechterhaltung der architektonischen, städtebaulichen und technischen Lösungen von gestern, sowie der heutigen Art zu leben, zu arbeiten, zu essen und zu reisen, ist unvereinbar mit der Aufgabe unserer Generationen: Den Klimawandel einzudämmen und zu verhindern.
Unsere Herangehensweise ist das frugale Bauen und die frugale Raumplanung – ob in der Stadt oder auf dem Land. Wir teilen sie in unseren Lehren, Vorträgen und Publikationen. Wir setzen sie in unseren Bauwerken um, um der Begründung einer kreativen, glücklichen und umweltverantwortlichen Gesellschaft beizutragen.
18. Januar 2018
Alain Bornarel (Ingenieur)
Dominique Gauzin-Müller (Architektin und Publizistin)
Philippe Madec (Architekt und Stadtplaner)